Bei Anruf Ansage

Tui und die Reisebüros

Am Anfang der Corona-Krise war Tui kaum erreichbar. Dies hat die Beziehung zwischen dem Unternehmen und den Reisebüros verschlechtert. Den Konzern könnte das noch teuer zu stehen kommen.

Von Lea Hampel, München

Wie persönlich Steven Mathes das Geschehen nimmt, zeigt der erste Satz, mit dem er sein Verhältnis zu Tui beschreibt: „Seit dem 15. März sind wir zerstritten.“ Es klingt eher nach Teenagerzoff als Job-Ärger, und es klingt vor allem: enttäuscht. Der Chef der Lingenfelder Reiselounge sagt auch: „Früher war alles partnerschaftlich.“ Mehr als 50 Prozent des Umsatzes machte er bei Tui, „richtig gutes Geld“. Bei Problemen „kam Hilfe auf allen Kanälen“.

Nicht nur der Reisebürobesitzer aus Rheinland-Pfalz spricht solche Dinge derzeit in Vergangenheitsform aus. Seit Beginn der Pandemie hat sich das Verhältnis zwischen dem Direktvertrieb und dem weltgrößten Reisekonzern verschlechtert. Dissonanzen gab es schon zuvor, die Krise hat sie vergrößert. Dem Konzern, der gerade um eine dritte Runde Staatsgeld ringt, könnte das langfristig schaden.

Versucht man zu verstehen, wie es dazu kommen konnte, dass so mancher im Vertrieb die Tui derzeit Pfui nennt, hilft zunächst ein Blick auf Mitte März dieses Jahres. Innerhalb weniger Tage war klar: Reisen wird für eine undefinierte Zeit nicht möglich sein. Tausende Urlauber wurden zurückgeholt, unzählige Reisen storniert. „Wir haben innerhalb weniger Tage unser gesamtes Geschäft runtergefahren“, sagt Hubert Kluske, Vertriebschef von Tui Deutschland. Reisebüros, die damals von unzähligen Kunden kontaktiert wurden, hörten, wenn sie in Hannover anriefen, folgendes: „Ihren Anruf können wir aufgrund der Entwicklungen des Coronavirus aktuell leider nicht persönlich entgegennehmen. Bei jeglichen Änderungen von gebuchten Leistungen informieren wir sie proaktiv. Bitte sehen Sie von Rückfragen ab. Bitte kontaktieren Sie uns nur im Notfall auf dem schriftlichen Weg.“ Und so mussten die die Verkäufer Fragen zu Stornos und offenen Hotels selbst recherchieren – und manche Buchung zehn Mal bearbeiten, bevor der Kunde eine Alternative hatte oder sein Geld zurück.

Dabei war anfangs Tui nicht der einzige Veranstalter, bei dem es wild zuging. „Da waren alle überfordert“, sagt Winfried Schulze, der die Reisemittler in der „Allianz selbständiger Reiseunternehmen“ vertritt. Entsprechend groß war das Verständnis, insbesondere für den Riesen Tui. „Ich habe ja mitbekommen, dass mein zuständiger Außendienstler in Kurzarbeit war“, sagt auch Steven Mathes. „Ich hätte mich ohnehin nur in Ausnahmesituationen gemeldet.“ Aber als andere Veranstalter sich in den Wochen danach rasch entschuldigt, Sonderhotlines eingerichtet, Updates geschickt haben, es bei der Tui jedoch nicht besser wurde, schwand nicht nur Mathes‘ Verständnis. Bei einer Umfrage zur Erreichbarkeit im Sommer erhielt Tui von drei Vierteln der Teilnehmenden die Schulnote 6. Verbandsvertreter Schulze sagt: „Die haben dieses Jahr extrem an Akzeptanz verloren.“

Um die Wurzeln des Grolls zu verstehen, den viele jetzt hegen, lohnt es sich, weiter zurückzuschauen. Den Anfang markiert die Strategie von Chef Friedrich Joussen, den Konzern auf Digitalisierung zu trimmen. Aus Sicht von Tui ist das Ziel, dass Kunden ihre Reise über möglichst viele Wege planen, buchen und verwalten können: Mal vor Ort, mal online, mal telefonisch. Davon profitieren, ist man überzeugt, auch die Reisebüros. Die dagegen haben, wie ein Verkäufer sagt, seitdem „den Eindruck, dass die uns außen vor lassen, um selbst mehr zu verkaufen“. Oder wie es oft von Reiseverkäufern zu hören ist: „Die sägen am Ast, auf dem wir sitzen“.

Bei so manchem mag der Frust über die Digitalisierung als solche dahinterstecken. Aber ganz schief ist das Bild nicht: Beispielsweise ist das digitale Buchen, bedingt durch verschiedene Rabatt- und Couponaktionen, teils günstiger als im Reisebüro. Und im Juni dieses Jahres war der Telefonservice für Kunden, die online gebucht haben, wieder offen, während Reisebüros nur einen Chatbot bekamen. Das verstärkte den Unmut – und sorgte unter anderem dafür, dass Vertriebschef Kluske jetzt öfter mal persönlich zum Hörer greift, um verärgerten Verkäufern zuzuhören. Er nennt die Situation einen „Stresstest für das Verhältnis, weil beide Seiten unter Druck stehen“.

Die Aktie, 2018 noch bei rund 20 Euro, pendelt um die vier Euro

Die Folgen sind drastisch. Die Zahl der Büros, die ihren Ärger vor Kunden nicht verbergen, steigt. Steven Mathes sagt, dass er zwar an Tui-Angeboten wie den Robinson-Clubs nicht vorbei käme. „Aber aktiv als ersten Anbieter kommen wir nicht auf sie zu sprechen.“ Auch eine Reiseverkäuferin aus dem Westen der Republik, die anonym bleiben will, schlägt Kunden für bestimmte Ziele zunächst Angebote anderer Veranstalter vor. Schlimmer ist, dass Verkäufer auch Kunden warnen: Buche man für nächsten Sommer, sei nicht klar, dass das Geld sicher sei. Das mag die Extremvariante sein, und von Seiten der Tui heißt es verständlicherweise, dass, wer unzufrieden ist, laut ist.

Aber zum einen werden immer noch drei von vier Tui-Reisen im Reisebüro gebucht. Ein schlechtes Image kann da gefährlich werden. Zum anderen ist das nur eine Baustelle von vielen. Schon vor Corona sorgte unter anderem der Ärger um die Boeing 737 Max für schlechte Zahlen. Wie unruhig es in Hannover zugeht, zeigt sich an weiteren Aspekten. Daran, wie schwierig die Gespräche mit Gewerkschaftlern bei Tuifly laufen. Daran, dass der Konzern zwar über neues Geld verhandelt – aber unklar ist, ob und auf welchem Weg es fließen wird. Ein Teil des Eigentums dürfte beliehen sein für die rund drei Milliarden Kredit, die der Konzern bereits erhalten hat. Schon bei der letzten Kreditrunde haben Politiker gefordert, dass der Staat für mehr Geld mehr Mitsprache bekommen sollte. Und über allem schwebt die grundsätzliche Frage: Werden die Menschen wie vor Corona reisen?

Zumindest für das kommende Jahr glauben daran weder die Verkäufer noch der Konzern oder die Akteure an den Finanzmärkten: Die Aktie, 2018 noch bei rund 20 Euro, pendelt um die vier Euro.

Angesichts all dieser Unsicherheiten geht Reiseverkäufer Mathes neue Wege. Er stellt dem Konzern 79 Euro pro Vorgang zu einer Tui-Buchung in Rechnung. Tui hat Zahlungen nach einer zweiten Mahnung mit Verweis auf das Handelsgesetzbuch abgelehnt. Er überlegt, zu klagen. Enttäuscht klingen er und andere nach wie vor. „Früher“, sagt ein Kollege von ihm, „war Tui Marktführer der Zahlen und der Herzen.“ Vorerst bleibt es bei den Zahlen.

Quelle: Bei Anruf Ansage – Wirtschaft – SZ.de (sueddeutsche.de)

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